Die Kamelie Ente
[ Zur Startseite ] [ Zum Index ] zurück

Die Kamelien-Ente.
Klaus Peper.

Früher gab es in den Verlagen einen oder mehrere Lektoren. Diese prüften, ob in eingereichten Manusskripten Zitate oder andere Dinge richtig wiedergegeben werden. Hatten sie Bedenken, so notierten sie am Rand: 'n.t.' (gesprochen: En-Te). Somit war die 'Ente' geboren. Dahinter steckt die lateinische Abkürzung: 'non testatum' (nicht testiert, nicht belegt). Heute findet man häufig Zeitungsenten, Lektoren kosten Geld. Es gibt aber auch Kamelienenten.



Die hartnäckigste Kamelienente:

Kamelien dürfen nicht verstellt oder gedreht werden, sie verlieren dann ihre Knospen.

Wirklich Unsinn. Es werden jährlich tausende Kamelien im Knospenzustand versandt und verkauft. Fielen die Knospen, wären sie unverkäuflich. Ich verstelle meine Kamelien jederzeit nach belieben.
Knospen fallen, wenn sie von der Pflanze nicht genug mit Saft versorgt werden. Dies passiert, wenn sie im Winter über 12°C stehen und dabei nicht genug Licht bekommen, oder vorher durch Frost geschädigt wurden.
n.t.



Trockene Zimmerluft:

Kamelien gehen ein, wenn sie der warmen Heizungsluft und geringer Luftfeuchte ausgesetzt werden.

Mein Experiment zeigt ziemlich deutlich: Kamelien blühen und gedeihen auch bei höheren Temperaturen und trockener Zimmerluft normal, wenn sie mit genügend Zusatzlicht versorgt werden (siehe Zimmerkamelien).
n.t.?



Wildform:

"1739 wurde die erste ungefüllte, rotblühende Camellia japonica bei Lord Petre in England eingeführt"

Dieser Satz wird häufig zitiert, ist aber eindeutig falsch und ist meines Wissens zum ersten Mal zu lesen bei:
Curtis, Samuel (1779-1860); Pope, Clara Maria: A Monograph on the Genus Camellia. London 1819.
Curtis, William: Curtis' Botanical Magazine Vol.II, t.42, London 1788
Ein Lektor hätte sofort vermerkt:
n.t.

Ehret und Edwards haben nämlich seine Kamelien gezeichnet, sie sind gefüllt.
Woher die einfache rote Kamelie herstammt, ist nicht belegt. Tatsache ist, daß sie in England 1780 existierte und von den Gärtnern angeboten wurde.

Es werden zwei Theorien diskutiert:
1. die rote Kamelie (Wildform) wurde neu aus Japan eingeführt
>2. Lord Petre starb kurz nach 1739 22-jährig. Er hielt seine Kamelien im Warmhaus, welches dann zerfiel. Sein Gärtner, Mr. Gordon, hat später seine Gärtnerei in Mile End bei London aufgemacht. Denkbar ist die These, daß die Warmhauskamelie(n) eingingen, aber der Wurzelstock überlebte. Da alle Kamelien, damals importiert aus China, auf die einfache Camellia japonica gepfropft waren, blieb so die Ursprungsform erhalten.

Siehe auch die Bibliographie der Internationalen Camellia Society -International-Topics-Bibliography-1700-1799



Seidel's Tornister:
Napoleon hob 1812 eine große Armee aus, um die Koaliton Rußland - Preußen - Österreich zu bekämfen. Er verlor letzlich in der großen Völkerschlacht bei Leipzig.

Jacob Friedrich Seidel, der damals im königlichen Garten in Paris arbeitete und sich der Heerschar anschloss, nahm in seinem Tornister 3 Kamelien mit, desertierte in Erfurt und begründete mit diesen Kamelien 1812 seine berühmt gewordene Kameliengärtnerei.

Ein Lektor müßte heute schreiben:
n.t.

Obwohl diese rührende Geschichte mehrfach berichtet wird, ist sie falsch. Einmal wurde die Kontinentalsperre kurz danach aufgehoben und es wurden nachweislich von vielen Gärtnern Kamelien aus England importiert (z.B. von seinem Bruder Gotthelf Seidel), zum anderen hat Mustafa Heikal im Nachlass der Familie Seidel den Pass gefunden (persönliche Mitteilung), mit dem er nach Deutschland einreiste. Daraus geht hervor, daß Jacob nicht in der Armee war, sondern getrennt in Karlsruhe die Grenze überschritt. Es ist auch nicht denkbar, dass ein Deserteur im französisch besetzten Dresden eine Firma gründen konnte.

 



Später wurde die Tornister-story dem Bruder Gottlieb Seidel zugeschrieben, der angeblich die Kamelien von Schloss Malmaison im Tornister heimschleppte (T. Durrant, The Camellia Story, 1982). Sonst ein gutes Buch, aber dies ist:
n.t.