Alte Kamelien in Deutschland
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Alte Kamelien in Deutschland

Klaus Peper, Homburg, 1994

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Die Kamelie kam gleich dreimal nach Deutschland, wenn wir den Geschichten glauben schenken, die so erzählt werden. Im Jahr 1799 veranlaßte angeblich die Zarin von Rußland, daß vier Kamelien aus Japan(?) nach Dresden, Schönbrunn/Wien), Herrenhausen und Kew Garden (London) gebracht wurden, eine Art von früher internationaler Fleurop. Aufzeichnungen darüber gibt es nicht, aber 1799 listet der Dresdner Hofgärtner Johann Heinrich Seidel die Camellia japonica in den Hofbeständen aus, und 1804 pflanzt der Gärtner Teschnik eine Kamelie ins Freie, die heute eine der dendrologischen Hauptattraktionen Deutschlands ist.

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Johann Heinrich Seidel, sehr gebildet, herumgereist und reproduktiv, zeugte zehn Kinder, unter ihnen vier Gärtner: Jacob Friedrich, Traugott Leberecht, Gottlob Heinrich und Carl August. Er schickte sie, wie damals üblich, zur Ausbildung nach Oesterreich, Holland, Frankreich, England.

Jacob Friedrich befand sich gerade zwei Jahre als Inspekteur in Paris am Jardin des Plantes, als Napoleon 500.000 Mann aushob, um gegen Preußen/Rußland zu ziehen, die das Königreich Sachsen besetzt hatten. Jacob war als Sachse dem Rheinbund militärpflichtig und wurde eingezogen. Er packte drei Kamelienpflanzen in seinen Rucksack und zog im Frühjahr 1813 nach Erfurt. Als er dort merkte, daß das französische Heer seine Ortskenntnis brauchte, desertierte er nachts und brachte seine Kamelien nach Dresden. Offensichtlich unbehelligt oder unerkannt durch die französische Militärpolizei, gründete er am 24. Juni 1813 zusammen mit Bruder Traugott die Gärtnerei Jacob Traugott Seidel. Leider besitzen wir keine weiteren Unterlagen über die folgenden Jahre, lediglich daß Traugott die Firma 1818 verließ (um Hofgärtner zu werden?).

Tesnier führt 1911 an, der Seidel'sche Katalog habe 1820 sechs Camellia-Sorten angegeben. Um 1850 herum war die J. & T. Seidel'sche Gärtnerei eine weltbekannte Firma. Für den russischen Adel war es Verpflichtung, auf seinem jährlichen Parisbesuch in Dresden Halt zu machen, um die Kamelienblüte dort zu erleben und um Pflanzen zu erstehen. Jacob wurde der Kamelienjacob genannt, er gab 1830 seine erste Kulturanleitung heraus, der 1837 die nächste folgte (alle leider ohne Sortenangaben). Eine weitere Anleitung von 1848 ist zur Zeit verschollen.

Doch zunächst zurück zu 1815, denn in diesem Jahr waren andere schneller. Zum Beispiel sein Bruder Heinrich Gottlob, der angeblich in Malmaison bei Paris stationiert war und dort seinen Rucksack mit Kamelienpflanzen füllte. Kommt Ihnen dies bekannt vor? Jedenfalls zeigt er 1816 im Allgemeinen Teutschen Garten-Magazin (ATGM) an, daß er in seiner Dresdner Firma unter vielem anderen auch 13 Kameliensorten liefern kann, die er auflistet. Wahrscheinlich hat er seine Pflanzen aus England bekommen, so wie der Leipziger Handelsgärtner Breiter, der am 13. Oktober 1814 eine Sendung mit 16 gefüllten Sorten erhielt, und dem schon 19 Sorten im Garten stehen.

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Bemühen wir die Geschichte, und nicht Geschichten, so muß gesagt werden, daß die C.japonica (Wildform) in England vor 1800 überall zum Kauf angeboten wurde und selbstverständlich an die europäischen Schaugärten gelangte (Dietrich 1802). Im Jahre 1810 gibt das ATGM bekannt, daß außer der roten einfachen Kamelie in England noch zwei weitere zwar äußerst selten, aber bekannt seien: Alba Plena und Variegata. Der Herausgeber zeigt auch gleich wunderhübsche Kupferstiche: Kopien von Andrews 1797, und fügt ein eigenes Bild der Wildform bei (übrigens die erste farbige Darstellung in Europa).

Der plötzliche Sortensprung von 1810 bis 1814 erklärt sich aus dem Ende der Kontinentalsperre, während derer jede aufgebrachte Schiffsladung von Pflanzen nach Malmaison (wo Napoleons erste Frau lebte) gebracht wurde. Die deutschen Gärtnereien hatten zu dieser Zeit sicher noch nicht das Wissen, Kamelien in größerer Zahl zu vermehren und waren auf Lieferungen aus England angewiesen. Unter die Handelsgärtner, die Kamelien anbieten, mischt sich bald auch Bruder Carl August Seidel. Deshalb wundert es nicht, wenn in allen Seidel'schen Anzeigen darauf hingewiesen wird, doch bitte die jeweiligen Vornamen auf den Bestellungen anzugeben!

Es war allerdings Jacob Seidel, der den entscheidenden Sprung nach vorne schaffte, indem er erkannte, daß der Dresdner Raum hervor-ragend für die Vermehrung geeignet ist (Klima, Wasser, Erde), und um 1840 exportierte er Kamelien in alle Welt (Rußland, Afrika, USA), wo die Dresdner Kulturen für ihre Qualität sehr gerühmt wurden, Exporte von 100.000 Stück/Jahr werden berichtet. Jacob Seidel hat damit die erste Spezialkultur für Topfpflanzen begründet und gleichzeitig den Grundstock für einen sehr bedeutenden Zweig des sächsischen Gewerbes gelegt. Neuzüchtungen sind aus Dresden allerdings nicht nennenswert bekannt geworden, deutsche Züchtungen wurden in Frankfurt von Rinz auf den Markt gebracht (Camellia 'Francofurtensis' und 'Gunnelli').

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Viele der damals gezogenen Sorten (die Zahl wird auf 1500 geschätzt) sind heute verschwunden, nur noch wenige davon sind im Handel. Das Interesse an historischen Sorten wächst allerdings, und besonders hilfreich ist hierbei das gerade erschienene Internationale Camellia Register (welches an die 30.000 Namen nennt). In Italien ist vor kurzem ein Buch herausgegeben, in dem die alten Kamelienbestände in den Parks um Lucca bestimmt worden sind. Alte, historische Exemplare zu pflegen und zu bestimmen sollte ein besonderes Ziel jedes Kamelienfreund es sein, und wir müssen uns verpflichtet fühlen, dieses kulturelle Erbe zu pflegen!

In Deutschland gibt es hierzu zwei gute Nachrichten: in Gleisweiler bei Landau stehen zehn alte Kübelpflanzen, die älter als 150 Jahre sind, in vier Sorten. Sie sind bisher nicht bestimmt. In Dresden gibt es Reste der alten Seidel'schen Sammlung, die den Krieg gut überstanden hat. Leider wurde die Seidelfirma 1945 enteignet und die Sammlung einem volkseigenen Betrieb übergeben. Dabei gingen viele Etiketten verloren. Heute steht die Sammlung unter Denkmalschutz und wird von der Familie Riedel in Pima betreut. Diese Sammlung verlangt unsere ganze Unterstützung!

Es ist meine Vorstellung, daß in Dresden eine Sammlung historischer Kamelien eingerichtet wird. Wir sollten alle unsere internationalen Verbindungen einsetzen, um diese Sammlung zu vervollständigen. Bitte unterstützen Sie diesen Gedanken! Die Deutsche Kameliengesellschaft hat inzwischen einen internationalen Steckbrief auf der Suche nach 'Francofurtensis', 'Gunnelli' und 'Teutonia' herausgegeben.

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