Kamelien-Lesezettel IV
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Der Kamelien-Lesezettel IV


Okt 2003

Liebe Kamelienfreunde!
Ich möchte heute empfehlen:

1.

Piero Hillebrand - Gianbattista Bertolazzi
Antiche Camelie del Lago Maggiore
Italienisch - Englisch

I.
Das großformatige Buch ist aufwendig auf Hochglanzpapier gedruckt. Dabei wirken besonders die großen Abbildungen (Autor: Gianbattista Bertolazzi), welche den eigentlichen Wert des Buches darstellen. Die Typographie wirkt auf den ersten Blick sauber und elegant (aber siehe III.). Das Prädikat 'Prachtband' ist angemessen.

II.
Der Text ist zweisprachig (italienisch-englisch), Autor: Piero Hillebrand, ein sehr erfahrener Züchter und Kamelienexperte; der Leser darf daher mit Recht originäres Fachwissen erwarten.

III.
Der englische Text ist in einem kursiven Schriftschnitt gesetzt. Kursive Schriften wirken zwar sehr elegant, sie sind aber für Hervorhebungen gedacht. Längere, zusammenhängende Texte lassen darin nur schwer lesen (wie etwa Kleingedrucktes in Verträgen).

IV.
Die internationale Regel gibt vor, dass Kultivarnamen zwischen Hochkomma in Antiqua gesetzt werden. Warum der Verlag diese auch in Kursiv setzt, ist leider nicht einsehbar, es wikt zwar elegant, ist aber wieder schwerer lesbar.

V.
Seit 1993 gibt es das Internationale Kamelienregister. Das hier besprochene Buch hält sich etwa an das dort gegebene Kamelienwissen, geht aber auch nicht darüber hinaus. Auch Ungereimtheiten des Registers werden übernommen. So gilt die Kamelie 'Giardino Schmitz' in beiden Büchern als Synonym der 'Teutonia', aber auch als selbständiges Kultivar. Hier z.B. hätte der Kamelienexperte gerne mehr erfahren, nicht nur einfaches Abschreiben. Noch was: das Register wird offensichtlich benutzt, aber nicht zitiert.

VI.
Das Buch 'Camelie dell'Ottocento nel Verbano', Verbania 2000, deckt etwa den gleichen örtlichen Bereich ab. Hierin wird versucht, alte Kamelien zu identifizieren. Hierzu haben viele Liebhaber erwartet, dass auch P. Hillebrand etwas aus seinem zweifellosen Fachwissen beiträgt. Dies vermissen wir. In C. dell'Ottocente wird eine Kamelie aus der Villa Taranto als 'Francofurtensis' bestimmt. Dies wird von Hillebrand offenbar heftig bestritten, zum Teil mit bösen Worten. In seinem Buch nimmt er leider keine Stellung. Wie froh wären wir hier um Argumente!! Das oben genannte Buch wird auch nicht zitiert.

Fazit:
Das Buch ist nach wie vor ein Prachtband: wegen seiner hervorragenden Bilder. Der Text läßt uns leider nicht teilhaben am Expertenwissen des Textautors.
Der Einzelpreis liegt zur Zeit bei über 120 Euro, für mich schon über der Schmerzgrenze. Der Vorverkaufspreis von 60-70 Euro ist angemessen.
Hoffen wir, dass der Verlag ein Einsehen hat und mit den Preisen für Restexemplare heruntergeht.

 

2.
Andreas Bärtels:
Das Grosse Buch der Kamelien
Euro 39,90

Andreas Bärtels ist ein bekannter Buchautor im Ulmer-Verlag. Dieser Umstand garantiert, dass dieses Pflanzenbuch mit Sorgfalt geschrieben und gestaltet ist.
Im Ulmer Verlag sind bereits die Kamelienbücher von Helga und Klaus Urban erschienen (besprochen im Lesezettel II und III). Urban's Bücher wenden sich an Anfänger und Fortgeschrittene; der Anspruch vom grossen Buch der Kamelien liegt jedoch höher, wie schon der Titel sagt. Im englischsprechenden Ländern gibt es bereits seit längerem Bücher, die das gesamte Spektrum der Kamelie behandeln, also nicht nur Pflege oder lexigraphische Darstellung der Sorten, mit vielen Bildern, sondern dazu Geschichte und Kultur der Pflanze. Eine solche umfassende Darstellung aller Aspekte dieser faszinierenden Pflanze hat bisher in Deutschland gefehlt.
Der Ulmer Verlag hat dies wohl auch so empfunden und möchte diese Lücke schliessen. Das Bärtel'sche Buch wird seinem Anspruch weitgehend gerecht und kann daher allen Kamelienliebhabern empfohlen werden, die sich umfassender mit dieser Pflanze beschäftigen möchten. Wenn Sie allerdings englisch lesen können, so sei Ihnen hier das Buch von Macoboy (siehe unten) erneut ans Herz gelegt. Der Macoboy ist für mich immernoch faszinierend, er legt Maßstäbe in Fachwissen sowie typographische Gestaltung -- ein Prachtband. Vorweg gesagt: hier kommt der Bärtels nicht ganz mit.

Es gibt einige gut recherchierte und lesenswerte Kapitel in diesem Buch, so die Kulturgeschichte der Kamelien in China, Japan, Korea, mit besonderer Betonung des Teeanbaus und der Teekultur. Bei den 'Kamelien in Europa' meint Bärtels allerdings, dass die Portugiesen diese Pflanze imn 16.ten Jahrhundert nach Europa gebracht hätten. Dies stützt sich auf die beeindruckende Größe einiger Kamelien in Portugal, und der Tatsache, dass z.B. Fernando Mendez Pinto China und Japan bereiste. Selbst Marco Polo wird erwähnt (13.tes Jahrhundert).Leider kennt Marco Polo den Tee nicht, obwohl er 2 Jahre angeblich Gouverneur einer Teeprovinz war. Pinto hat ein hinreissendes Buch geschrieben, er war 19 mal schiffbrüchig und wurde 13 mal als Sklave verkauft - alles mit gutem Ende. Für Pflanzen interessierte er sich aber überhaupt nicht. Die Portugiesen pflegen diese Argumente natürlich, aber wenn es um Dokumente oder gar Baumringe zur Bestimmung ihrer 'alten' Bäume geht, so gibt es nichts. Modernere Darstellungen und Diskussionen folgen diesen Argumenten auch nicht: danach sind die ältesten Kamelien- wie in andere europäische Länder- gegen 1780 aus England eingeführt worden. Die wissenschaftliche Literatur führt ernste Zweifel an, ob Marco Polo überhaupt in China war.
Angenehm empfinde ich, dass Andreas Bärtels Klimazonen angibt und so die (frei erfundenen?) Härteangaben in °C vermeidet. Er ist hier realistischer als andere Autoren.

Sehr gut ist der lexigraphische Teil mit der Darstellung und Beschreibung der Kamelienarten und -Sorten. Die Photos in diesem Buch sind durchweg gut. Sehr gelungen ist auch das Glossar (könnte aber umfangreicher sein, was ist z. B. ein Vektor?), sowie die Angaben im Anhang.

Die Kapitel mit dem Bestimmungsschlüssel halte ich hier nicht angebracht, ebenso die Seiten mit den Synonymen. Das Buch ist mit heißer Feder geschrieben, man merkt dies an ärgerlichen Fehlern. So ist der Autor Macoboy (p.24,166) mehrfach zitiert, aber durchgehend als Macoby. Peper ist als Peter 2001 (p.43) zitiert, erscheint aber nicht in der Bibliographie. Die schöne Monographie von Curtis und Pope gäbe es als Reprint bei kamelien.de, wovon ich aber nichts weiss. Chirardi (p.165) nennt sich Ghirardi. Kämpfer: Amoenitates Exoticarum Fasciculus V. Plantarum Japonicarum.. 1712 (p.165). Quintessence (Kasten p.29). Watanabe Reprint (p.33) bitte in die Bibliographie. Seidel J.H. (p.51): 1792: blühende Kamelien??? bitte in Bibliographie. Seidel, Traugott (p.51): 1816 sechs Sorten: bitte in die Bibliographie. Bild (p.150): ist nicht die angegebene C. yunnanensis. Bildunterschrift (p.145): 'Anticipation'; (p.149): 'Jury's Yellow'. Schwarze Kunststofffolie weist Wärmestrahlen ab (p.80): ist wohl umgekehrt.

Zur Vermehrung:
Samen nun feucht oder trocken lagern??? (p.79, feucht und kühl lagern!). Warum Schwimmprobe der Samen? Die wenigen Samen, die wir so bekommen, können doch alle ausgebracht werden!
Sprossspitze bildet sich nicht frühzeitig, sondern erst, wenn die Wurzel 5cm lang ist. (p.79). Stecklinge dürfen nur von virusfreien Pflanzen genommen werden: fast alle Sorten haben das Virus. Nur Sämlinge sind virusfrei.(p.80). IBS ist als Bewurzelungshormon bei uns immer zu empfehlen. (p. 81). Bei Sämlingen und Stecklingen ist eine Behandlung mit Previcur unbedingt anzuraten!!

Leider nicht so gut recherchiert wie die anderen Kapitel: Schäden an Kamelien:
Leider ohne Bilder. Die Schäden versteht man nicht, wenn sie nur beschrieben sind.
Deutsche Bücher sollten sich auf Schäden begrenzen, die auch in D. vorkommen, sonst sind sie nicht hilfreich.
Knospenfall, wenn Sommer/Herbst zu trocken: Ein alter Gärtnertrick, Kamelien zum Blütenansatz zu zwingen: Trockenhalten. (aber nicht unbedingt zu empfehlen).
Barksplitting: sehr gut!! Wird oft vergessen.
Ciborinia: Import nach Deutschland 1. durch infizierte Blüten (relativ harmlos), 2. durch verseuchte Erde (sklerotien). Punkt 2 ist der wirklich gefährliche. Anwendung von Fungiziden: ziemlich wirkungslos. Auch: Verboten!!!
Guinardia: Unkritische Übersetzung eines Artikels aus USA (Camellia, Zeitschrift der deutschen Kameliengesellschaft). Ich glaube nicht, das dieser Pilz bei uns eine Rolle spielt. Der Übersetzer und nun wohl auch die Leser dieses Buches sitzen vor ihrer Kamelie und suchen nach Anzeichen. Purpurner Schimmer auch bei Sonnenbrand!!.
Triebsterben: Glomerella in USA beschrieben, bei uns bei Kamelien nicht. Es gibt aber einige Ursachen für Triebsterben auch bei uns. Meist Wurzelschaden (Frost, Trockenheit).
Phytophthora: Fraglich, ob dieser Pilz hier eine Rolle spielt. Möglich als Schwächeparasit.
Hallimasch: Bei uns fraglich. In Neuseeland wird die Verseuchung eines Vorgartens berichtet.
Schildläuse: Eine beständige Plage, aber beherrschbar. Es ist nicht die Napfschildlaus (unter dem Schild junge Läuse), sondern Pulvinaria floccifera, unter dem Schild das lebende Weibchen. Kriecht dann bei Reife an die Unterseite der Blätter und bildet dort weiße Eigelege. (Photo bei kamelien.de)
Rhododendron-Zikade: Besiedeln auch gerne Kamelien, irgentwelche Schadbilder sind aber nicht zu entdecken. Insbesondere: für eine Eiablage in Kamelienknospen gibt es keine Anzeichen. Daher bei Kamelien harmlos.
Dickmaulrüßler: Ringelförmige Fraßspuren am Stammgrund: wer hat sie gesehen?? Ich suche schon seit langem ein Photo.

Ich hoffe, daß insbesondere der Schädlingsteil in kommenden Auflagen stark verbessert wird.

3.
Stirling Macoboy:
The Illustrated Encyclopedie of Camellias
Timber Press 1998, ISBN 0-88192-421-0
Englisch
Bei Amazon.de: Euro 36,40
Nach wie vor ein sehr empfehlenswertes Buch.
Besprochen im Lesezettel I

4.

Fernão Mendes Pinto:
Merkwürdige Reisen im fernsten Asien 1537-1558
Antiquarisch: Mehrere Ausgaben. Suchen Sie bei zvab
Suchworte: pinto asien, etwa Euro 6-20.
13 mal in Gefangenschaft, 19 mal als Sklave verkauft.
Besuchte China, Formosa, Japan.
Sehr lebendige Schilderung seiner Reise.
Gilt als beste Prosa Portugals des 16. Jahrhunderts.

5.
Dazu passend:

B. G. de Brito:
Portugiesische Schiffbrüchigen Berichte 1552-1602
Historia Tragico Maritima.
Antiquarisch: Mehrere Ausgaben. Suchen Sie bei zvab
Suchworte: brito berichte, etwa Euro 7-15.
Faszinierende Schilderung der Seefahrt zu Pinto's Zeiten.

6.
Ein besonderes Schmankerl
für alle Liebhaber der botanischen Illustration:

H. Walter Lack:
Ein Garten Eden - Meisterwerke der botanischen Illustration

Taschen 2001. Preis: Euro 35.-
Antiquarisch: Suchen Sie bei zvab
Suchworte: lack eden
Oder: Restauflage (neu): ab € 14,99 bei amazon.de
Einhundert herausragende Werke der botanischen Buchillustration aus den Beständen der umfangreichen Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien sind in diesem wunderschönen Garten Eden vereint. Die 483 Farbabbildungen vermitteln einen Querschnitt durch die botanische Illustration in Zeit, Raum, Thema und Technik vom 6. bis zum 20. Jahrhundert.
Hervorragende Illustrationen, vom Fachmann erläutert.
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